Patienten haben das Recht, ihre Patientenakte einzusehen oder kopiert zu bekommen. Wie weit dieses Recht geht und wann es doch eingeschränkt werden darf, erfahren Sie hier.
Rechtliche Grundlagen zur Patientenakte
Aus § 630 f BGB ergibt sich für den Behandelnden die Pflicht, eine Patientenakte zu führen. Dies kann in Papierform oder elektronisch erfolgen. Aus der Patientenakte muss ersichtlich werden, wann etwaige Änderungen des Inhalts vorgenommen wurden und was geändert wurde. In einer Patientenakte dokumentiert der Behandelnde sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse. Grundsätzlich ist die Patientenakte auch nach Abschluss der Behandlung noch zehn Jahre aufzubewahren.
§ 630 g BGB regelt dazu das Recht des Patienten zur Einsichtnahme in diese Patientenakte. Dies kann der Behandelnde nur verweigern, wenn „erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen“ (dazu sogleich mehr).
Ebenfalls hat der Patient aus Art. 15 III DSGVO einen Anspruch auf eine vollständige und kostenlose Kopie der Akte.
Keine Einsicht in Patientenakte aus therapeutischen Gründen?
§ 630g I BGB regelt auch, dass der Behandelnde die Einsichtnahme nur verweigern kann, wenn „erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen“.
Diese Beschränkung der Herausgabe von Informationen an den Patienten selbst darf nicht zu weit gehen. Grundsätzlich ist diese Ausnahme nach Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO zulässig. Eine ähnliche Ausnahme sieht zur Zeit auch der Verordnungsentwurf zum „europäischen Datenraum für Gesundheitsdaten“ vor (Art. 3 III der Verordnung).
Geschichtliche Entwicklung
Dass der Patient überhaupt ein Recht auf Einsicht hat, hat sich erst in der jüngsten Geschichte ergeben. So war es in den 1970er Jahren noch normal, dass ärztliche Unterlagen nicht an die betroffene Person herausgegeben wurden. Bis zur Einführung der §§ 630 a – 630 h BGB im Jahre 2012 und später dem Inkrafttreten der DSGVO wurden schrittweise einerseits die Anforderungen an die medizinische Dokumentation erhöht und andererseits die Rechte der Betroffenen gestärkt.
Entscheidung im Einzelfall
Ob eine Einsichtnahme aus therapeutischen Gründen trotzdem zu verweigern ist, ist im Einzelfall zu untersuchen. Insbesondere ist meist von einer Einsichtnahme abzusehen, wenn eine psychiatrische Diagnose besteht, die nahelegt, dass das Vertrauensverhältnis des Patienten zum Behandelnden oder Dritten durch die Einsichtnahme nachhaltig zerstört wird oder traumatisierte Patienten eine Re-Traumatisierung erleiden.
Bei schweren und unheilbaren Krankheiten wird heutzutage kein Grund zur Verweigerung der Einsichtnahme mehr angenommen. Die Sterbehilfe-Entscheidung des BVerfG machte hier bereits 2020 deutlich, dass dies einer Bevormundung gleich käme und der „Schutz eines Menschen vor sich selbst“ nur der Entscheidungsfreiheit dienen darf und nicht umgekehrt.
Begründung der Verweigerung
Wird dem Patienten die Einsichtnahme verweigert, ist dies zu begründen (§ 630 g I 2 BGB). Dem Patienten muss die Verweigerung also offen mitgeteilt werden. Eine Einsichtnahme in eine zensierte oder modifizierte Akte ist nicht zulässig. Hierbei muss der Behandelnde den schmalen Grat wahren, dem Patienten auf der einen Seite hinreichend darzulegen, warum er die Akte nicht einsehen kann, ohne auf der anderen Seite das zu verraten, was der Patient gerade nicht erfahren soll.
Umstände der Einsichtnahme in Patientenakte
Statt einer kompletten Verweigerung der Einsichtnahme kann und muss der Behandelnde auch über mildere Mittel nachdenken, die Rechte des Patienten zu wahren.
In Frage kommt hier vor allem die Anpassung der Umstände der Einsichtnahme: Der Behandelnde kann dem Patienten eine begleitete Einsichtnahme anbieten. Die Person, die die Einsichtnahme begleitet, kann der Behandelnde selbst oder eine vertraute Person des Patienten sein. Wenn der Behandelnde die Einsichtnahme begleitet, kann er zudem sicherstellen, dass die Informationen für den Patienten einfach zu verstehen sind (Art. 12 I DSGVO).
Form der Bereitstellung
Dem Patienten muss die Einsichtnahme oder Kopie der Akte kostenlos ermöglicht werden. Eine Kopie kann der Patient in Papierform oder in elektronischer Form erhalten (§ 630 g II BGB, Art. 15 III DSGVO).