Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am Dienstag, dass die deutsche Version der Vorratsdatenspeicherung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Nun muss der Rahmen für eine Neuregelung in Deutschland gesteckt werden. Wird es in Deutschland dann noch Vorratsdatenspeicherung geben?
Erfahren Sie hier, was der EuGH und die Politik aktuell dazu sagen.
Bisherige Regelung in Deutschland
Bei den kritisierten deutschen Regelungen handelt es sich um solche des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Diese sehen vor, dass Verkehrs- und Standortdaten von Providern zehn bzw. vier Wochen lang zu speichern sind. Mit dieser Praxis sind sehr genaue Rückschlüsse auf das Privatleben der betroffenen Personen möglich. So können ganze persönliche Profile erstellt werden. Hierin sieht der EuGH ein Verstoß gegen das Unionsrecht.
EuGH: Keine allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung
Mit Urteil vom 20.09.2020 entschied der EuGH (Rs. C-793/19, C-794/19 u.a.), dass die deutsche Version der Vorratsdatenspeicherung dem Unionsrecht widerspricht. Das Unionsrecht stehe insbesondere einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten entgegen. Liege eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit vor, sei sie allerdings möglich. Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung war ein solches Urteil absehbar.
Dennoch räumt der EuGH dem nationalen Gesetzgeber einen gewissen Spielraum innerhalb des grundsätzlichen Verbotes einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ein.
Ausnahmen für allgemeine und anlasslose Speicherung
Eine allgemeine und anlasslose Speicherung auf Vorrat soll demnach möglich sein, wenn es um den Schutz der nationalen Sicherheit geht. Dann sollen Verkehrs- und Standortdaten gespeichert werden dürfen. Ob eine ernste Bedrohung vorliegt, kann dann ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle kontrollieren. Außerdem ist eine solche Maßnahme nur für einen auf das Notwendigste begrenzten Zeitraum zulässig.
Eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung der Identität von Nutzern elektronischer Kommunikationsmittel kann auch möglich sein. Hierzu muss der Zweck im Schutz der nationalen Sicherheit, der Bekämpfung der Kriminalität und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit liegen.
Ausnahme für gezielte Speicherung
Eine gezielte Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ist wiederum möglich, wenn es um den Schutz der nationalen Sicherheit, die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit geht. Diese Speicherung ist dann aber auf Grundlage begrenzender Kriterien bezogen auf betroffene Personen oder mittels geografischer Kriterien durchzuführen.
Für dieselben Zwecke kann auch eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen vorgenommen werden, die der Quelle einer Verbindung zugeordnet sind.
Ausnahme für Speicherpflicht
Zudem ist es möglich, Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste über einen bestimmten Zeitraum eine Speicherpflicht aufzugeben. Dies muss dann aber der Bekämpfung schwerer Kriminalität und dem Schutz der nationalen Sicherheit dienen. Auch hier dürfen dann Verkehrs- und Standortdaten erfasst werden.
Stimmen aus der Politik
Zu dem Urteil und der so entstandenen Sachlage haben sich nun auch schon Stimmen aus der Politik gemeldet.
Der FDP liegt nach wie vor viel daran, die Vorratsdatenspeicherung komplett abzuschaffen. FDP-Bundesjustizminister Buschmann kündigte bereits an, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun „zügig und endgültig aus dem Gesetz [zu] streichen“.
Auch die Grünen-Bundestagsfraktion sieht das Urteil als Schlag gegen die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Eine verfassungskonforme Regelung sei schon lange nötig.
Auf der anderen Seite sieht SPD-Innenministerin Faeser beim Thema Vorratsdatenspeicherung vor allem Anliegen der Sicherheitsbehörden berührt. Diese wünschen sich gerade eine Vorratsdatenspeicherung.
Wie viel Vorratsdatenspeicherung geht noch?
Auch wenn das Urteil des EuGh sich vordergründig gegen die deutsche Vorratsdatenspeicherung positioniert, machen die Ausnahmen deutlich, dass noch einiges möglich ist. Die vom EuGH aufgestellten Ausnahmen sind so weitläufig, dass ein Verbot der anlasslosen Speicherung schon wieder in Zweifel gezogen werden kann.
Wie aus den bisherigen Stimmen aus der Politik deutlich wird, wird es bezüglich der Möglichkeiten der Vorratsspeicherung in Deutschland auf einen Kompromiss zwischen Bundesinnen- und federführendem Bundesjustizministerium hinauslaufen. Dieser könnte mehr Vorratsdatenspeicherung enthalten als das Urteil zunächst vermuten lässt.
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